31. Januar 2015

Durchsuchung beim Rechts­anwalt

Unverhältnismäßigkeit von Kanzleidurchsuchungen

Mit seiner Entscheidung aus dem November 2014 hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal die Wichtigkeit des Vertrauensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant hervorgehoben und gestärkt.

In vorliegendem Fall ging es um die Durchsuchung von Kanzleiräumen eines Straf­verteidigers und die daraufhin erfolgte Beschlagnahme zweier Patientenkarteikarten. Der Mandant, ein angeklagter Arzt, hatte in den Karteikarten seine handschriftlichen Originalaufzeichnungen mit eigenen Erläuterungen zum besseren Verständnis für seinen Verteidiger extra abgetippt, welche auch nur für dessen ausschließliche Kenntnisnahme gedacht.

Die Durchsuchung und die Beschlagnahme der Unterlagen stellen nach Auffassung des Bundesgerichtshofes einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Anwalts dar.

Die Anordnung einer Durchsuchung muss neben den im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen auch immer das Gebot der Verhältnismäßigkeit wahren.

Eine Durchsuchung von Kanzleiräumen eines Straf­verteidigers eines Angeklagten ist dann nicht mehr mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar und verletzt den Rechts­anwalt u.a. in seinem Grundrecht auf Schutz der räumlichen Privatsphäre, wenn voraussichtlich auch Erkenntnisse zu erwarten sind, über welche jener das Zeugnis verweigern dürfte. Dies ist nur dann anders zu beurteilen, wenn nach den zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses tatsächlich vorliegenden Anhaltspunkten eine Prognose ergibt, dass ausschließlich relevante Erkenntnisse aus dem nicht absolut geschützten Bereich zu erwarten sind.

Eine derartige Prognoseentscheidung wurde vorliegend bei Erlass der Anordnung durch das Amtsgericht gerade nicht angestellt. Es hat sich nicht im geringsten mit der Problematik der Durchsuchung bei einem Strafverteidiger, noch mit den Vorgaben des § 160 a StPO (Maßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern) auseinandergesetzt, obwohl das Verfahren hierzu Veranlassung gab. Bei solch einer Vorgehensweise besteht die Gefahr, dass der Schutz des Vertrauensverhältnisses infolge der Sichtung sämtlicher Verteidigungsunterlagen ins Leere läuft.

Ferner führt der Senat aus, dass für die Beschlagnahmefreiheit kein besonderer Verteidigerbezug der Unterlagen erkennbar sein müsse. Dieser ist bereits dadurch indiziert, weil die Schriftstücke beim Verteidiger aufgefunden wurden und einen Bezug zum Strafverfahren hatten.

Einschränkungen der Beschlagnahefreiheit bestehen nur dann, wenn etwas beschlagnahmt wird, worüber der Anwalt das Zeugnis nicht verweigern dürfte sowie bei Schriftstücken, die –wie notarielle Urkunden- für die Kenntnisnahme Dritter bestimmt sind und keiner besonderen Geheimhaltung bedürfen. Eine grundsätzlich beschlagnahmefähige Unterlage kann jedoch auch im Nachhinein durch Anmerkungen des strafrechtlich Verfolgten zur Verteidigung beschlagnahmefrei werden. Denn von diesen Anmerkungen ist das Dokument nicht zu trennen, so dass der Bezug zur Verteidigung und zum Zeugnisverweigerungsrecht des Straf­verteidigers gegeben ist.