06. Dezember 2014

Haftbefehl wird vollzogen

Vollzug des Haftbefehls bei Wegfall des dringenden Verdachts schwerwiegender Straftaten

Das Landgericht München hatte im Rahmen einer Entscheidung darüber zu befinden, ob eine Untersuchungshaft gegen einen Angeklagten, der sich wegen Körper­verletzung mit Todesfolge und unerlaubtem Verschreibens von Betäubungs­mitteln verdächtig gemacht hat, aufrecht erhalten werden kann oder ob der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen sei.

Der Angeklagte befand sich mittlerweile 2 Jahre in Untersuchungshaft, da das ursprüngliche Urteil gegen ihn aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wurde. Nunmehr beantragte der Verteidiger die Außervollzugsetzung des Haftbefehls.

Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen approbierten Arzt, der seine Patienten mit verschreibungspflichtigen Medikamenten versorgte. Beide Männer sind daraufhin aufgrund einer Überdosis gestorben. Bei beiden Patienten handelte es sich um langjährige Drogenkonsumenten, welche die Gefahren, insbesondere die einer möglichen tödlichen Überdosis kannten. So äußerte sich z.B. einer der beiden auf die erneute Warnung einer Überdosis hin, dass er alles im Griff habe.

Der Bundesgerichtshof hatte bereits in einer Entscheidung vom Januar dieses Jahres ausgesprochen, dass ein Patient, der verschriebene Medikamente missbräuchlich einnimmt, grundsätzlich eigenverantwortlich handelt und eine Strafbarkeit des verschreibenden Arztes wegen Körper­verletzung – oder gar wegen eines Tötungsdeliktes, grundsätzlich ausscheidet. Eine Strafbarkeit des Arztes kommt lediglich in Betracht bei überwiegendem Fachwissen oder wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, eigenverantwortlich zu handeln. Dies sei vor allem bei einer schweren akuten Drogenintoxikation oder im Fall eines akuten Entzuges anzunehmen, da die Betroffenen dann nicht mehr fähig sind, selbstständig zu handeln. In selbiger Entscheidung führte der BGH weiter aus, dass davon auszugehen ist, dass es in Arzt Patienten Verhältnis auch bei groben Behandlungsfehler an einem Körper­verletzungs- oder bedingte Tötungsvorsatz des behandelnden Arztes fehlt.

Im vorliegenden Falle konnte jedoch nicht von einer fehlenden Eigenverantwortlichkeit der Geschädigten beim Setzen der tödlichen Spritzen ausgegangen werden. Beide waren trotz ihrer langen Drogenabhängigkeit noch in der Lage, selbst Arzttermine auszumachen, hatten regelmäßig Kontakt zu Familie und Freunden und wussten um die Gefahren eines Missbrauchs sehr wohl Bescheid. Daher konnte der Verdacht einer Körper­verletzung mit Todesfolge nicht aufrechterhalten werden konnte, so dass nur noch der Verdacht des unerlaubten Verschreibens von Betäubungs­mitteln in sehr vielen Fällen übrig blieb.

Unter Anrechnung der bereits seit zwei Jahren andauernden Untersuchungshaft, verbliebe somit nur noch ein kurzer Strafrest, bei dem auszugehen war, dass dieser zur Bewährung auszusetzen ist, so dass nicht mehr von einer gesteigerten Fluchtgefahr ausgegangen werden konnte. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit konnte daher die fortbestehende Fluchtgefahr durch die Festsetzung von Auflagen begegnet werden, so dass der Haftbefehl außer Vollzug zu setzen war.